Wieder ein geschichtlicher Grund. Als sich die kirchlichen Bläsergruppen bildeten,
distanzierte man sich stark von den weltlichen Bläsergruppen (Feuerwehrkapelle,
Bergmannskapelle, Schützenvereine usw.), bei denen natürlich die Blasmusik im
Vordergrund stand. Die ersten kirchlichen Bläsergruppen nahmen die vorhandenen Noten
der Kirchenchöre und spielten dieselben Stücke auf ihren Instrumenten. Dies war
damals funktionierende "Verkündigung", da die Menschen die Texte der Choräle
auswendig konnten. Wenn sie die Melodien hörten, dachten sie auch an den geistlichen
Text.
Es wurde auch in "chorischer Besetzung" geblasen. Das bedeutet, dass die
Stimmen wie im Sängerchor aufgrund ihrer Tonhöhe als Sopran, Alt, Tenor und Bass
benannt werden und auch mehrfach besetzt werden können. Mehrere Bläser können
sogar die gleiche Stimme blasen, wenn sie verschiedene Instrumente spielen. Z.B. können
Posaune, Tenorhorn und Waldhorn zusammen Tenor blasen, während in einem Blasorchester die
Stimmen nach den Instrumenten benannt werden, also 1. Waldhorn, 2.Waldhorn, 1.Posaune, 2.
Posaune usw.
Hier kommen wir noch zu einem wesentlichen praktischen Unterschied zwischen den
weltlichen Blasorchestern und den Posaunenchören: damit die chorische Besetzung
problemlos durchgeführt werden kann, einigt man sich bei allen Instrumenten auf eine einheitliche
Notations- und Griffweise. Das bedeutet, dass ein Bläser, der einmal die Töne
und Griffe auswendig gelernt hat, auch auf einem anderen Instrument, sogar in einer
anderen Stimme blasen kann. So gibt es in vielen Posaunenchören Bläser, die je nach
Besetzung Tenorhorn oder Trompete spielen, damit der Chor immer blasfähig ist. Mit dieser
eigentlich sehr sinnvollen Methode erreichte man einen damals durchaus erwünschten
Nebeneffekt: wer im Posaunenchor (kostenlos!!) das Blasen erlernt hatte, konnte nicht ohne
Schwierigkeiten in die weltlichen Bläsergruppen abwandern, da dort - je nach Instrument -
andere Griffweisen benutzt wurden, z.B. Trompete in B, Horn in F oder Es usw.
Dieser früher als Schutz der Posaunenchöre angesehene Nebeneffekt wird uns heute oft
zum Verhängnis. Bläser, die in Musikschulen oder privat ein Blasinstrument erlernen,
benutzen die "weltlichen" Griffweisen; wenn sie dann in einem Posaunenchor
mitblasen möchten, müssen sie erst neue Griffe lernen. Davor schrecken natürlich viele
Bläser zurück, die sonst bereit wären, in kirchlichen und weltlichen
Bläsergruppen zu spielen.